Industrie & Handel: Vom Tellerwäscher zum Millionär?

von CCP Shadowcat
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Egal wo und wann man etwas über EVE Online liest, früher oder später stößt man auf die zahlreichen Geschichten selbstgemachter Weltraum-Milliardäre, deren Geschichten eher an die USA in den blühenden 1920ern erinnern, als an eine Science Fiction-Dystopie: Millionenschwere Mafiabosse, knallharte Industriemagnaten oder einfach nur Mitläufer, die sich an die Fersen der großen Wirtschaftsmächte heften um etwas von dem Goldregen abzubekommen, der jeden Tag auf das Universum niederprasselt.

Als ich erstmals von den Möglichkeiten der Industrie und dem Handel in EVE höre (viele Monate vor meiner Zeit bei CCP und bevor ich selbst anfing zu spielen), habe ich ein Szenario wie in „Wolf of Wall Street“ vor Augen: Mit den richtigen Tricks und Kniffen – und einer gehörigen Portion „zur rechten Zeit am rechten Ort“ – kann ich in kürzester Zeit mit den ganz Großen mitspielen, auf mehr Weltraummoneten sitzen als Smaug der Drache und mir alles leisten, was ich will. Einzig einen Haken gibt es an der Sache: Ich habe von Wirtschaft relativ wenig Ahnung…

Das grundlegende Konzept ist mir selbstredend aus anderen Spielen bekannt: Man nehme Material x und y, kombiniere es zu Produkt z und verkaufe das Ergebnis auf dem virtuellen Markt. Zieht man nun Material- und eventuell anfallende Herstellungskosten vom Verkaufserlös ab, bleibt der Profit übrig, den man mit diesem Gegenstand erzielt hat – liegt dieser im positiven Bereich, kann man sich freuen und hat Gewinn gemacht. Das ist sozusagen der nächste Schritt nach dem einfachen sammeln und verkaufen von Rohmaterial (wie beispielsweise beim Bergbau).

Bereits vor meiner Zeit bei CCP führte ich einst ein Interview mit EVEs leitendem Wirtschaftswissenschaftler, Lead Economist Eyjólfur Guðmundsson, der mich einerseits über die Einzigartigkeit der Wirtschaft in New Eden aufklärte, als auch die Möglichkeiten und Tücken dieses ausschließlich von Spielern kontrollierten Markts aufzeigte. Ich war fasziniert wie nie zuvor, wenn es um Wirtschaft ging – hätten wir in der Schule Wirtschaft anhand von EVE Online gelernt, wären meine Noten in dem gleichnamigen Fach sicherlich um Einiges besser gewesen! Was mich vor allem beeindruckte war die Tatsache, dass in EVE nichts an oder von NPCs ver- und gekauft werden kann, wie in anderen MMOs. Es gibt also keinen „bodenlosen Marktstand“, in dem Waren einfach verschwinden und aus dem beliebig viel Währung generiert werden kann (sehen wir von den Missionsbelohnungen in ISK einmal ab), sondern vielmehr fungiert die Wirtschaft in New Eden wie in jedem realen Land der Erde: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Das macht die Wirtschaft glaubwürdig, dynamisch und öffnet gleichzeitig die Türen für unterschiedliche Arten der Manipulation selbiger: Spieler können in großen Mengen bestimmte Gegenstände aufkaufen und anschließend zu Wucherpreisen verkaufen, um den Preis künstlich in die Höhe zu treiben oder die Nachfrage nach einem gewissen Gegenstand zu kontrollieren. Kurzum: Die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt, doch genau wie im realen Leben bedeutet das auch, dass erfolgreiches Handeln allgemeine Wirtschaftskenntnis voraussetzt.

Zahlen, Tabellen, Kalkulationen - Industrie ist am Ende weit weniger glamourös, als ich dachte...

Da ich wie bereits erwähnt keinen BWL-Abschluss habe, versuche ich stattdessen mein Wissen aus anderen MMOs auf EVE zu übertragen und beginne mit der Frage: Was brauchen Piloten in EVE jeden Tag? Was müssen sie nachkaufen, worauf können sie nicht verzichten und wofür lassen sich dementsprechend die meisten Abnehmer finden?

Meine erste Anlaufstelle ist dementsprechend Munition; nach einem Verbrauchsgut besteht immer Nachfrage und jedes Schiff verballert tagtäglich einen ganzen Haufen davon – wortwörtlich. Also öffne ich die entsprechende Kategorie im Marktplatz und… bin erstmal heillos überfordert. Woher soll ich als Anfänger wissen, welche Munition am häufigsten gebraucht oder gekauft wird? Also entscheide ich mich dafür, einfach die herzustellen, dich selbst mit meiner Rifter benutze: „EMP S“-Munition. Dann brauche ich erstmal eine Blaupause, die mit 100.000 ISK nicht gerade billig ist, aber immerhin kann ich laut Beschreibung 1.500 Mal Munition herstellen, bevor die Blaupause zerstört wird.* Als nächstes muss ich das Material besorgen: Tritanium, Pyerite und Nocxium. Mit einem Rechtsklick kann ich (relativ) bequem die Preise dafür im Markt ansehen und das Material sofort einkaufen; natürlich könnte ich mit meinem Bergbauschiff die Erze auch selber sammeln, aber da ich das Rohmaterial selbst ja auch auf dem Markt verkaufen könnte, lohnt sich das wirtschaftlich gesehen nicht wirklich.

Also kaufe ich alles von meinen spärlichen ISK, wähle dann eine freie Montagestraße aus (aus welchen Tagen stammt eigentlich dieser unnötige Schritt?), lege mich auf fünf Durchläufe für die Herstellung fest und gebe dann – nach einem kurzen Blick auf Steuern und Herstellungskosten – die Fertigung in Auftrag. Rund 20 Minuten später bekomme ich meine erste selbst hergestellte Munition direkt in meinen Hangar geliefert und stelle sie sofort auf dem Markt zum Verkauf. Ein bisschen stolz bin ich ja schon und freue mich wie ein Schnitzel, als die grünen Zahlen in meine virtuelle Geldbörse wandern – und das ohne gefährliche Weltraumschlachten mit Piraten oder langatmige Bergbau-Expeditionen. Ich musste noch nicht einmal die Station verlassen! Als ich genauer nachrechne, stellt sich allerdings eine leichte Ernüchterung ein: Der gesamte Prozess hat mir gerade Mal läppische 1.500 ISK eingebracht – ein Betrag, der selbst in realen isländischen Kronen kaum 20 Minuten Arbeit wert wäre. Immerhin habe ich bei meinem ersten Versuch keine Verluste eingefahren, aber der Traum vom Industriemagnaten rückt nach diesem Erlebnis allerdings in nahezu unerreichbare Ferne…

Aber wie immer gebe ich nicht so schnell auf und mache genau das, womit andere Spieler EVE Online seit jeher beschreiben: Excel-Tabellen! Dank jahrelangem Office-Training kostet es mich keine fünf Minuten, eine kleine Tabelle zu erstellen, bei der ich bequem das benötigte Material und seine aktuellen Kosten eintragen kann, das ganze automatisch inklusive Steuern und Fertigungskosten vom Verkaufspreis abziehen lasse und am Ende eine akkurate Berechnung meines tatsächlichen Profits erhalte. Erst später merke ich, dass es im Internet haufenweise Vorlagen für die Fertigung gibt, so dass ich meine Office-Fähigkeiten gar nicht hätte auspacken müssen…

Mit Excel und Zahlen auf dem einen Bildschirm, dem Marktplatz und noch mehr Zahlen auf dem anderen Bildschirm fühlt sich EVE dann endlich wie das Klischee an, das mir Freunde und Kollegen seit geraumer Zeit weiß machen wollten und ich verbringe die nächsten (mehr oder minder spannenden) Stunden damit, einen Gegenstand nach dem anderen im Markt nachzuschlagen, Kosten und Verkaufswert in die Tabelle einzutragen und etwas zu finden, das mir in angemessener Zeit etwas mehr als nur ein paar Kröten auf mein virtuelles Konto bringt. Mein anfänglicher Enthusiasmus verliert sich schnell in einem Strudel aus Zahlen und Berechnungen, bis ich mich frage, warum ich überhaupt in die Industrie eintauchen wollte und nicht einfach weiter Missionen fliege – oder wie von euch vorgeschlagen Jagd auf arme Miner mache, genau wie es mir selbst vor Kurzem passiert ist.

Viel problematischer ist jedoch die Tatsache, dass ich auch nach stundenlangem Suchen nichts finde, dessen Herstellung sich wirklich lohnen würde – oder überhaupt im grünen Bereich liegt. Als ich mir darüber den Kopf zerbreche fällt mir auf, dass bei den Blaupausen zwei unterschiedliche Angaben für das benötigte Material stehen – und dass die Menge, die ich benötige, weit über der Angabe „Perfekt“ liegt. Wenn ich also meine Skills in Bezug auf Industrie verbessere, senke ich damit die Materialkosten und schaffe es dadurch vielleicht sogar, bei weniger lukrativen Gegenständen noch Profit rauszuschlagen? Und falls ja, auf welche Skills sollte ich mich konzentrieren? Gibt es noch weitere Faktoren zu beachten, beispielsweise den Standort, den Ruf bei einzelnen Fraktionen oder einen Bonus für die Zusammenarbeit mit anderen Spielern?

Habt ihr sonst noch Tipps oder gar konkrete Vorschläge zur Fertigung für Neulinge? Oder sind die Industriegeheimnisse in EVE gut gehütet? ;)

Die Herstellung von Schiffen kann ich erstmal vergessen - die ist selbst nach tagelangem Minen noch viel zu teuer!

Eines wurde mir aber bereits klar, als ich mir die Kosten für Schiffe oder auch nur größere Objekte wie Jagdbomber oder Module für Capital-Schiffe anschaue: Um ernsthaft Industrie zu betreiben, brauche ich erstmal eine Menge Startkapital! Also heißt es für mich zunächst wieder „Zurück auf Anfang“ und ein paar höherstufige Missionen erledigen, um sowohl ISK zu sammeln, als auch ein besseres Gefühl für Module und Ausrüstung zu bekommen… Aber seht euch vor – sobald ich in dem Industriegewirr durchblicke, das stellenweise unnötig kompliziert und an anderen Stellen nicht kompliziert genug ist, wird man mich „Don Shadowcat“ nennen! *muhahaha*

Wenn ihr selbst noch neu seid und ebenfalls Fragen habt, stellt sie ruhig jederzeit im offiziellen Forum – nur keine falsche Scheu, die „üblichen Verdächtigen“ beißen nur selten ;)

*Noch bevor dieser Blogeintrag online ging, wurde ich von CCP Shiny in Bezug auf die Blaupause verbessert: Augenscheinlich gibt es Blaupausen und Blaupausen-Kopien. Letztere können durch Forschung verbessert werden, habe ein begrenzte Anzahl and Durchläufen und können - im Gegensatz zu dem, was ich hier schreibe - nicht auf dem Markt, sondern nur über Verträge gekauft werden. Dieser Unterschied wird nur leider nicht ausführlich in den Tutorials erklärt (so wie gefühlte 5.000 andere Dinge über Industrie und Handel), so dass ich als Anfänger Gefahr laufe, gravierende Fehler zu machen.

 

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